Was Omar Traoré zum Löwenpudel macht

19.5.2024 – Omar Traoré kommt an die Bremer Brücke, betritt das Stadion. Er bekommt an diesem Tag den „Löwenpudel der Saison“, aber das weiß noch niemand. Vor dem Stadion viele Fotowünsche, die Omar lächelnd und selbstverständlich erfüllt – im Stadion „Omar Traoré“-Gesänge, obwohl er vor einem Jahr den VfL Osnabrück verließ Richtung Heidenheim, obwohl der VfL an diesem Tag in die 3. Liga absteigt. Trotzdem nur lächelnde Gesichter und Freude, wo er hinkommt – allein das spricht für sich. Omar Traoré ist ein wichtiger Teil unserer legendären 90+6- Aufstiegsmannschaft, hat mit seinen schnellen Läufen über die Außenbahn und seinem immerwährenden Bemühen den unfassbaren Aufstiegsmoment mit möglich gemacht. Aber natürlich reden wir hier nicht nur über Fußball – auch wenn Omar es verdient hätte, denn innerhalb eines Jahres hat er es geschafft, Stammspieler in der 1. Bundesliga beim 1.FC Heidenheim zu werden und mit ihnen den internationalen Wettbewerb zu erreichen. Krass!

Fotos: Osnapix

Im Gespräch mit ihm fragen wir ihn, ob er eigentlich wisse, wie viele Osnabrücker sich die Spiele des 1.FC Heidenheim anschauen, nur weil er da jetzt spiele? Er lacht dieses Lachen, das wir oft hören – eine Mischung aus Freude mit einem Hauch fast peinlich berührter Bescheidenheit. Seine Augen strahlen, als er sagt, dass er das wisse und, dass es ihn total freut – und wir glauben ihm jedes Wort. Omar Traoré ist erst der achte Ex-VfLer, der es in die Bundesliga schafft und egal wohin man hört: Die VfL-Fans freuen sich über diesen Weg, den „einer von uns“ gegangen ist. Darin kann Verantwortung liegen, wenn man sie denn aufheben will – und Omar Traoré tut das.

Er war immer ein Osnabrücker Junge. Hier geboren, aufgewachsen, als kleines Kind schon an der Bremer Brücke, bei Raspo angefangen, bereits ab 14 in der Jugend des VfL diesen Weg fortgesetzt. Im Gespräch erzählt er uns, wie gerne er an diese Orte seines Anfangs zurückkehrt, um dort alte Bekannte zu treffen oder seinen Fußballtraum an junge SpielerInnen weiterzugeben. Es sei für ihn „wie Therapie“, verbinde ihn mit dem, wo er herkommt. In der Laudatio führen wir die verschiedenen Stationen auf, die Omar durchlaufen musste, bis zu diesem Moment. (Nachlesen lohnt sich, denn es sind eine Menge):

Omar Traore ist Löwenpudel der Saison 23/24 (vfl.de)

Foto: Melanie Priesnitz

Er selber beschreibt uns, dass ihm bewusst sei, wie viel Glück er eigentlich gehabt habe – auf seinem Weg im NLZ oder in anderen Vereinen seien im viele talentierte Fußballer begegnet, die auf der Strecke blieben, einfach weil sie in den entscheidenden Momenten weniger Glück gehabt haben. Das mag stimmen, doch uns scheint, Omar Traoré sei durchaus auch ein Gewinnertyp, weil er bescheiden und ruhig seinen Weg weitergeht, weiter „beißt“, wenn es hart wird und auf dem Boden bleibt, wenn er gefeiert wird. Wir können viele Punkte benennen, in denen er ein löwenpudeliges Vorbild ist – dies ist der erste: „Folge deinen Träumen. Sieh eher die Chancen als die Risiken“ und vor allem – und dahinter möchten wir ein dickes Ausrufezeichen setzen – gehe auch respektvoll mit den Träumen anderer um. Omar sagt selbst, dass er so oft erlebt habe, wie Kindern und Jugendlichen der Mut genommen worden sei durch unbedachte Sätze von Eltern, von Trainern.

Man merkt, wie es ihn empört und emotionalisiert, wenn er sagt: „Warum macht man sowas? Manche Kinder haben nicht mehr als diesen Traum, wieso muss man ihnen den nehmen? Es ist doch egal, ob es am Ende so kommt. Das wird man sehen.“ Wir fühlen diese Worte. Und wir nehmen ihn ernst, wenn er sagt, dass er gerade den Osnabrücker Kids Mut machen will, an sich zu glauben – denn er komme schließlich aus der gleichen Stadt, aus dem gleichen Verein, vielleicht von der gleichen Schule und möchte somit zeigen, dass alles möglich ist, wenn man seinen Traum im Blick behölt.

Wenn man sich mit Omar unterhält, spürt man die Verbindung zu Osnabrück und das Bemühen, in seiner Heimatstadt Dinge – vor allem für die Kleinen – voranzubringen. Wir möchten nicht vergessen, dass der Osnabrücker Löwenpudel natürlich auch ein Ur-Osnabrücker ist und auch die verantwortungsbewusste Verbindung zu dieser Stadt macht Omar für uns zu einem wahren Löwenpudel. In einer Zeit, in der Fußball immer mehr aus Kurzverträgen und Spiel-Nomadentum besteht, genießen wir diese echten Gefühle zum Standort, zur Bremer Brücke, sehr. Ohne – das möchten wir betonen – dass er deswegen seinem neuen Verein weniger emotional gegenüber stehen würde. Er findet auch für Heidenheim, den Verein und Trainer Frank Schmidt sehr viele Worte der Bewunderung und der wirklichen emotionalen Zuwendung. Einstellung, Haltung, Menschenbild – das alles trägt man in sich und nimmt man mit und all das macht Omar Traoré in unseren Augen zu einem echten Botschafter unserer Stadt.

Omar Traoré mit einem Teil des Kuratoriums / Foto: Harpenau

Als wir das Gespräch mit Omar im Vorfeld der Verleihung suchten, wollten wir das Thema Rassismus eher außen vor lassen, ebenso wie den große Schatten seines Vaters, den dieser im positiven Sinne in Osnabrück wirft. Wir wollten den Menschen und seine Gedanken erleben, ohne diese gleich mit den ganz großen Themen verbal zuzuschütten. Natürlich hat das nicht ganz geklappt. Viele Werte, viele Ansichten, die Omar vertritt, sind natürlich auch geprägt durch die weltoffene, geerdete Haltung seines Vaters, seiner wirklich beeindruckenden Familienhistorie. Auch dort können wir euch nur empfehlen, bei Gelegenheit einmal im Internet nachzuforschen. Wir möchten jedoch betonen, dass Omar dennoch seinen eigenen Weg gefunden hat, diese Werte zu vertreten: zum Beispiel auf dem Raspo-Sportplatz, wo er kleine Jungs und Mädchen inspiriert, an ihren Traum zu glauben. Zum Beispiel in einem Fußballcamp, das er mit Sponsoren zusammen für Kinder in Osnabrück durchführt. Und immer wieder an Tagen „zwischendurch“. Bald geht es in Heidenheim wieder los, aber vorher noch eben….was auch immer… mit Kindern. Auch das finden wir besonders.

Traoré und Thioune diskutieren am GSG (vfl.de)

Beim Blick zurück dürfen wir auch Omars ehemalige Schule nicht vergessen – am GSG hat er die hier verlinkte Podiumsdiskussion geführt, zusammen mit Daniel Thioune und Lisa Roggenkamp, in der u.a. das Thema Rassismus im Fußball auf der Tagesordnung stand. Wenn Omar über diese Veranstaltung redet, benutzt er oft das Wort „stolz“: Er sei stolz auf seine ehemalige Schule, weil er in seiner Schulzeit keine rassistischen Verhaltensweisen zu spüren bekam. Er sagt, dies liege an der „Haltung“, denn man habe immer gespürt, dass Ausgrenzung dort nicht gewollt sei. Ebenso sei er aber stolz, gefragt worden zu sein und stolz, den SchülerInnen seine Sicht der Welt erklären zu dürfen – und sie hörten ihm zu. Wir schätzen, aus dem gleichen Grund, aus dem wir ihm gerne zuhören: man merkt ehrliche Emotionen, man fühlt die Werte als Grundlage von Entscheidungen, man spürt die Liebe zu Menschen. Und: man findet in diesem noch jungen Menschen eine ganze Menge Haltung und ja, auch schon Lebenserfahrung. Er selber benennt Spieler wie z.B. Mats Hummels als Vorbild dahingehend, sich auch zu aktuellen Geschehnissen zu äußern, Wertediskussionen zu führen. Er selber möchte auch jemand sein, der Dinge anspricht, wenn er die Möglichkeit hat. Und er betont, es käme auf die Haltung an, nicht so sehr darauf, was man sagt – man müsse es auch tun.

Auch an dieser Stelle hebt unser Löwenpudel die Pfote und bittet alle VfL-Fans darum, es ihm gleich zu tun. Wir leben in einer Zeit, in der es wichtig ist, dass Menschen mit einem liebevollen Menschenbild das Wort erheben. Go for it.

Danke für ganz viel Inspiration und herzlichen Glückwunsch: Omar Traoré!