Taugt der Löwenpudel zur Identitätsbildung?

Wer darauf eine Antwort sucht, sollte sich selbst erstmal mit der Frage konfrontieren: Wer oder was bin ich eigentlich? Würde der Löwenpudel hierauf eine Antwort finden wollen, würde diese wahrscheinlich mit seinen beiden so unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen so ähnlich präzise und klar wie ein deutliches JEIN klingen. Zu widersprüchlich und unvereinbar seine Anteile von Löwe und Pudel, als dass sie ein homogenes wie organisches Ganzes ergeben könnten.


In der Psychologie heißt es dazu: „Wir haben mehr als nur eine Identität, wir haben ein inneres Team“, was nicht weniger bedeutet, als dass sich innerhalb der Persönlichkeit eines Individuums mehrere Identitäten befinden können, zwischen denen je nach Kontext gewechselt werden kann. Das heißt, es ist erlaubt und notwendig, immer wieder Neues auszuprobieren, Sichtweisen zu ändern, Fragen zu stellen und diese verschiedenen Perspektiven mit Hilfe von Selbstreflexion idealerweise zu einer Einheit zusammenzufügen.

Betrachten wir den Löwenpudel unter diesem Aspekt, wird deutlich, wie viele unterschiedliche Identitäten sich zwischen Löwe und Pudel befinden, wie viele Themen sich zwischen seinen beiden Polen abspielen können. Das Wesen des Löwenpudels entwickelt sich, weil auch er ein Produkt seines sozialen und kulturellen Umfeldes ist. Er ist kein Einzelgänger, sondern stellt seine soziale und empathische Kompetenz innerhalb einer Gemeinschaft unter Beweis, für die er seine Eigenschaften einsetzt. Dabei markiert die Bandbreite dieser Eigenschaften, sein breites Spektrum zwischen Löwe und Pudel. In diesem Spektrum befinden sich Eigenschaften, die wir je nach Sichtweise und Situation negativ oder positiv bewerten: hilfsbereit, kontaktfreudig, verschlossen, sachlich, mutig, chaotisch… um nur eine kleine Auswahl zu nennen.


Jetzt muss natürlich betont werden, dass der Löwenpudel seinem mythischen Wesen nach ein Konstrukt ist, dass er mit seiner Vielfalt an Identitäten daher auch nicht bspw. zu einer pathologischen Persönlichkeitsstörung neigen kann, wie sie in der Humanmedizin mitunter vorkommt. Aber gerade weil er ein Konstrukt ist, ist er als Identifikationsfigur besonders geeignet. Menschen sind in der Lage, sich nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit Gruppen, Organisationen oder Institutionen, Religionen oder auch mit nicht humanen Wesen zu identifizieren. Der Löwenpudel bietet durch seine Struktur viele solcher Identitätsentwürfe, das ist sein Pluralismus, der sich auch in Interkulturalität und Intersexualität äußern kann.


Zurück zu der Frage im Titel dieses Textes: Natürlich ist der Löwenpudel eine Identifikationsfigur und ist somit auch zur Identitätsbildung fähig; das haben die Osnabrücker*innen ja schon längst getan. Die Figur des Löwenpudels hat in der stadthistorischen Narration seinen unumstößlich festen Platz und ist damit tief in der Stadt verwurzelt. Mit dieser Kombination von tiefer Verbundenheit und Diversität erfüllt der Löwenpudel einmalige Voraussetzungen als Identifikationsfigur. Und mit dieser Fähigkeit, kann er wie kein anderes Wesen die Eigenschaften und Werte des VfL verkörpern.