Das Löwenpudel-Interview… mit Steffen Tigges

Das Foto wurde von Steffen Tigges zur Verfügung gestellt

Steffen Tigges ist nicht nur Stürmer beim 1. FC Köln, sondern auch jemand, der über den Fußball hinausdenkt – über mentale Gesundheit, über das Leben nach der Karriere und über Verantwortung auf und neben dem Platz. Im Interview mit Melanie Priesnitz und Jörn Drees vom Löwenpudel e.V. spricht der gebürtige Osnabrücker offen über seine Anfänge beim TuS Glane, seine Zeit beim VfL Osnabrück und beim BVB, über Druck, öffentliche Kritik und den oft unterschätzten Wert psychologischer Betreuung im Profisport. Dabei wird schnell klar: Steffen Tigges ist jemand, der reflektiert, der den Fußball liebt – aber auch weiß, dass es ein Leben neben dem Platz gibt. Ein Gespräch über Leistung, Leidenschaft und den Wunsch, auch nach der Karriere mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen.

Hallo Steffen, vielen Dank für deine Zeit und Interesse.

Was fällt dir ohne zu zögern ein, wenn du an den VfL Osnabrück denkst?

Da muss ich kurz überlegen, weil es einfach so viel war. Als Erstes fällt mir die Bremer Brücke ein – das Herz des Vereins. Dann die Fans und natürlich der Aufstieg 2019 in die zweite Liga, ein krönender Abschluss, bevor ich gewechselt bin. Aber auch meine Zeit im NLZ, in der Jugend: die unzähligen Fahrten von Glane nach Osnabrück zum Trainingsgelände. All das verbinde ich sofort mit dem VfL.

Kommst du aus Glane?

Ja, genau, meine Eltern wohnen da noch, und ich habe während meiner ganzen Zeit beim VfL immer in Glane gewohnt.

Gab es bei den Fahrten nach Osnabrück Fahrgemeinschaften oder bist du immer alleine gefahren?

Ganz alleine bin ich nie gefahren, wenn dann mit meinem Bruder [Leon Tigges, Zwillingsbruder und zu der Zeit Torwart im NLZ./ Anm.d.Red.]. Ab der U17 gab es dann einen Fahrdienst, mit dem wir dann über Hütte und so alle Spieler, die im Südkreis gewohnt haben und bei uns in der Mannschaft waren, eingesammelt haben. Wir sind dann immer so mit vier, fünf, sechs Jungs zum Training gefahren.

Du bist in Glane / Bad Iburg aufgewachsen, ist dir in dieser Zeit eigentlich irgendwo der Löwenpudel begegnet?

Die Figur jetzt? Ne, nicht bewusst. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass der irgendwo mal ein großes Thema gewesen ist. Bevor wir jetzt das erste Mal Kontakt hatten, beziehungsweise ihr es jetzt so aufleben lassen habt, kannte ich den Löwenpudel nicht.

Der Löwenpudel ist als Sage und Mythos eng mit der Stadtgeschichte Osnabrücks verbunden und steht unter anderem auch deswegen als Statue vor dem Osnabrücker Dom.

Genau, aber er ist mir irgendwie nie so begegnet, dass ich ihn bewusst wahrgenommen habe.

Wenn du vom Löwenpudel als einem Wesen mit zwei scheinbar widersprüchlichen Seiten hörst – hast du da bestimmte Assoziationen oder Eigenschaften, die dir in den Sinn kommen?

Ja, auf jeden Fall. Wie du schon gesagt hast: Der Löwenpudel vereint zwei sehr gegensätzliche Tiere. Ich sehe mich auf der einen Seite eher als Löwe – mutig, furchtlos, verantwortungsbewusst. Auf der anderen Seite steckt in mir aber auch der Pudel: elegant, anmutig, vielleicht sogar ein wenig schüchtern. Für mich steht der Löwenpudel vor allem für jemanden, der gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, sich für andere einsetzt, soziale Themen wichtig nimmt. Diese Mischung macht ihn für mich aus.

Diese Saison verleihen wir den „Löwenpudel der Saison“ zum vierten Mal. Mit Sven Köhler, Tante Gerhild und Omar Traoré wurden bisher sehr unterschiedliche Menschen ausgezeichnet. Findest du dich in dieser Vielfalt wieder – nicht nur sportlich, sondern auch persönlich?

Auf alle Fälle. Ich glaube, ich bringe selbst eine gewisse Vielfalt mit. Spielintelligenz zum Beispiel, auch wenn mein Spiel vielleicht nicht immer elegant ist – das ist einfach nicht mein Stil. Aber Mut und Verantwortung, das sind Dinge, die ich versuche zu leben – auf dem Platz genauso wie daneben. Auch soziales Engagement und Vielfalt sind mir wichtig. Dynamik, Energie – das sind Eigenschaften, mit denen ich mich definitiv identifiziere.

Du bist mit knapp 13 zum VfL gekommen und hast viele Stationen durchlaufen – dein Profidebüt in der dritten Liga gabst du unter Joe Enochs. War das die prägendste Zeit deiner Karriere?

Auf jeden Fall. Alles, was ich beim VfL erlebt und durchgemacht habe, prägt mich bis heute. Der Verein ist sehr bodenständig, arbeitet mit wenig Mitteln, macht aber unglaublich viel daraus. Diese Haltung nehme ich immer noch mit: Menschlichkeit bewahren, dankbar sein, Demut zeigen – gerade gegenüber den Leuten im Hintergrund wie Trainern, Zeugwart oder Staff. Beim VfL stand immer der Mensch im Vordergrund, nicht der große Fußballer.

Und natürlich habe ich auch fußballerisch viel mitgenommen. Im NLZ hatte ich richtig gute Trainer, später auch in der Profimannschaft. Von jedem konnte ich etwas lernen – Erfahrungen, die mich über die Jahre geprägt haben und von denen ich immer noch profitiere.

Du beschreibst sehr anschaulich, was dich beim VfL geprägt hat. Gibt es Dinge oder Eigenschaften, bei denen du sicher bist, dass du sie nur dort so lernen konntest?

Ja, definitiv. Ich glaube, es macht einen Unterschied, ob man in einem kleineren, familiären Nachwuchsleistungszentrum groß wird – wie beim VfL. Der enge Kontakt, das Miteinander mit Spielern von der U14 bis zur U19, das schafft einen besonderen Spirit, den es in vielen großen NLZs so nicht gibt.

Vor allem diese Demut und Dankbarkeit – einfach froh zu sein, Fußball spielen zu dürfen und Freude daran zu haben – das wurde beim VfL ganz groß geschrieben. Und das sind Werte, die du nicht überall so vermittelt bekommst.

Gibt es Personen oder Erlebnisse, an die du besonders gerne zurückdenkst? Freundschaften, ein Trainer oder vielleicht ein bestimmtes Spiel?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt noch ein paar enge Freundschaften – zum Beispiel mit Sese Klaas, gegen den ich jetzt am Wochenende wieder gespielt habe. Wir sind auch abseits des Platzes richtig gute Freunde. Er war sogar auf meiner Hochzeit, und unsere Verbindung geht weit über die VfL-Zeit hinaus.

Bei den Trainern denke ich besonders an Joe und Daniel. Joe hat mich mit seiner ehrlichen, direkten Art geprägt – er hat Fußball sehr klar und gradlinig vermittelt. Daniel dagegen war unglaublich menschlich, gleichzeitig aber auch fachlich stark und sehr nah an der Mannschaft.

Und das prägendste Erlebnis war für mich der Aufstieg 2019 – kurz bevor ich gegangen bin. Die Emotionen in der Stadt, im Stadion, bei den Fans – da bekomme ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke.

Wir erinnern uns in dem Zusammenhang natürlich auch an den 3:1-Sieg in Kaiserslautern – du hast in der ersten Halbzeit mit zwei Toren quasi im Alleingang den Grundstein für den Sieg gelegt. Ajdini hat dann in der zweiten Halbzeit noch einen draufgesetzt. Trotzdem wurde dein Vertrag nicht verlängert. Warst du darüber traurig oder hattest du deinen Wechsel da schon für dich beschlossen?

Es war nicht so, dass für mich von Anfang an klar war, dass ich wechseln will. Es kamen einfach viele Dinge zusammen. Ich habe damals die komplette Saison links hinten in der Fünferkette gespielt – eine Position, auf der ich mich langfristig nicht gesehen habe und wo ich auch nicht meine größten Stärken hatte. Ich wollte mich spielerisch wieder stärker in Richtung Spitze / Offensive entwickeln, und das war beim VfL so nicht möglich.

Es gab aber gute Gespräche – mit Daniel und auch mit Benjamin Schmedes – über die Perspektive für die kommende Zweitliga-Saison. Am Ende haben sich die Rahmenbedingungen nicht so ergeben, dass ich gesagt hätte: Ich bleibe auf jeden Fall. Es lag sogar ein Angebot zur Vertragsverlängerung vor, aber ich habe es abgelehnt, weil ich überzeugt war, dass ich mich woanders besser weiterentwickeln kann.

Darf ich dich kurz aus der NOZ zitieren? Du hast damals gesagt: „Ich bin in Osnabrück sehr dankbar, dass ich den Sprung in den Profifußball geschafft habe. Nach fast zehn Jahren ist für mich der Zeitpunkt gekommen, eine neue Herausforderung anzunehmen.“
Wie ist das aus heutiger Sicht für dich gelaufen? War es richtig, diese Herausforderung anzunehmen?

Ja, definitiv. Für mich war es vor allem menschlich wichtig, aus diesem Wohlfühlumfeld rauszukommen – und aus dem Status des Jugendspielers im eigenen Verein. Ich war da irgendwie ein Stück weit festgefahren und wollte mich neu beweisen.

Im Rückblick war die Entscheidung goldrichtig. Natürlich konnte ich damals nicht ahnen, wie sich alles entwickeln würde, als ich mich für Dortmund entschieden habe. Aber ich hatte die Fantasie – und auch das Vertrauen in mich –, dass ich in so einem Umfeld wachsen kann. Es ging mir darum, mich nochmal neu zu fordern, mich weiterzuentwickeln – als Spieler, aber auch als Mensch. Und ich denke, wenn man auf meine Laufbahn heute schaut, sieht man, dass dieser Schritt der richtige war.

Wer waren eigentlich deine Trainer in Dortmund?  In Köln war es zu Beginn Steffen Baumgart und jetzt Gerhard Struber. Und in Dortmund?

In Dortmund spielte ich das erste Jahr unter Mike Tullberg in der zweiten Mannschaft. Dann hatte ich Enrico Maaßen, auch in der zweiten Mannschaft. Bei den Profis in Dortmund hatte ich noch Edin Terzic und Marco Rose zum Trainer. Also das waren schon echt gute Voraussetzungen, die ich damals in Dortmund vorgefunden habe. Allein vom Trainerteam, von der Mannschaft, das hat sich auf jeden Fall ausgezahlt.

Merkst du einen Unterschied zwischen den Trainern, die du beim VfL hattest – wie Joe Enochs oder Daniel Thioune – und einem Top-Trainer wie Marco Rose? Ohne das werten zu wollen: War es in Dortmund einfach ein anderes Niveau? Auch im Umgang mit den Spielern? Und hattest du vielleicht selbst eine andere Erwartungshaltung nach dem Wechsel?

Das kann schon sein, aber was die Trainer selbst angeht, waren die Unterschiede gar nicht so riesig. Klar, Joe war noch eher etwas oldschool, sehr direkt in seiner Ansprache – so kennt man ihn auch. Aber grundsätzlich waren alle Trainer, auch Daniel und Marco, sehr nah an der Mannschaft, mit einem guten Gespür dafür, was sie gerade braucht und wie man mit ihr arbeiten muss.

Der große Unterschied liegt eher im gesamten Umfeld. Wenn du nach Dortmund wechselst, ändert sich die Qualität – der Mitspieler, des Trainerteams, einfach alles. Plötzlich spielst du Champions League, hast hohe Ansprüche in der Liga, willst um Titel mitspielen. Da steigt die Erwartungshaltung enorm. Auch das Training ist viel intensiver – vom Tempo, von der Handlungsschnelligkeit, vom Anspruch her. Ich habe am Anfang schon eine gewisse Zeit gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Aber zum Glück konnte ich mich relativ schnell freischwimmen und dann auch gute Leistungen bringen.

Noch einmal zurück zum VfL: Du hast bei deinem Abschied gesagt: „In Osnabrück war ich gar nicht als Stürmer eingeplant. Selbst wenn ich Osnabrück verlängert hätte, wäre es als Linksverteidiger gewesen. Oder besser gesagt als Allrounder. In der Offensive und Defensive habe ich alles gespielt.“ Siehst du diese Allrounder-Rolle rückblickend als Nachteil, weil du dich als Mittelstürmer, wo du dich jetzt verortest, nicht weiterentwickeln konntest? Oder war es vielleicht doch ein Vorteil, weil du in anderen Mannschaftsteilen neue Aufgaben übernommen hast?

Ehrlich gesagt, würde ich sagen: teils, teils. Auf der einen Seite fehlen mir sicher zwei, drei Jahre, in denen ich mich komplett auf die Position des Stürmers hätte konzentrieren können – Abläufe einüben, ein besseres Gespür für den Torabschluss entwickeln. Das fehlt einem, wenn man mal alle Positionen spielt oder gar nicht spielt.

Auf der anderen Seite hat mir diese Allrounder-Rolle aber auch einiges gebracht, was mir heute hilft. Gerade was Verteidigen, Intensität, Laufbereitschaft und Arbeit gegen den Ball betrifft. Diese Erfahrungen haben mir geholfen, ein besseres Spielverständnis zu entwickeln, nicht nur aus der Perspektive des Stürmers, sondern auch aus der Sicht anderer Positionen und Mitspieler.

Ich bin vielleicht nicht der klassische Mittelstürmer, aber dafür arbeite ich viel für die Mannschaft. Diese Einstellung und die Fähigkeiten habe ich definitiv aus meinen verschiedenen Rollen beim VfL mitgenommen.

Es gibt ja diese spektakuläre Geschichte, dass du in Dortmund wieder in die erste Mannschaft gerutscht bist, und das als Ersatz für Haaland. Das muss eine verrückte Situation gewesen sein, oder?

Ja, wenn ich jetzt darüber nachdenke, war es wirklich verrückt. Während Corona war alles mit Tests verbunden. Wenn du von der zweiten Mannschaft in die erste aufgerückt bist, musstest du innerhalb von 48 Stunden zwei negative Tests haben. Erling hatte sich dann vor dem Spiel verletzt, und aufgrund der ganzen Regeln hatte ich keine Möglichkeit, mit der Mannschaft zu trainieren.

Ich bin also vor dem Pokalspiel gegen Braunschweig direkt in den Kader gerutscht und stand plötzlich in der Startelf – ohne vorher mit der Mannschaft trainiert zu haben. Die Mannschaft habe ich dann erst im Bus auf der Fahrt nach Braunschweig kennengelernt. Wenn ich das heute so Revue passieren lasse, ist es schon ziemlich crazy, wie das alles gelaufen ist.

Da ist man wahrscheinlich auch ein kleines bisschen wieder Fan, oder? Wenn man plötzlich im Mannschaftsbus der ersten Mannschaft von Dortmund sitzt?

Klar, da fühlt man sich erstmal ganz klein mit Hut. Man will auf keinen Fall auffallen, sondern sich alles erstmal anschauen. Man kennt die Spieler sonst nur aus dem Fernsehen, als Idole. Wenn du dann zum Beispiel mit Marco Reus, der jahrelang Topleistungen für Dortmund gebracht hat, auf dem Platz stehst – das ist schon etwas ganz Besonderes. Da will man natürlich besonders Gas geben, um nicht negativ aufzufallen.

Hast du damals viele Reaktionen aus Osnabrück auf diese Geschichte bekommen?

Ja, auf jeden Fall. Alle haben sich mega mit mir gefreut. Das war die erste Reaktion, die ich bekommen habe – wirklich Freude darüber, dass es für mich so gut gelaufen ist. Viele hatten nicht damit gerechnet, dass es nach meinem Wechsel zur zweiten Mannschaft in die Regionalliga so weit geht. Der Wechsel hat sich dann ausgezahlt, genau wie ich es mir erhofft hatte. Dass es dann bis zur Bundesliga und Champions League ging, war natürlich auch ein bisschen Glück. Aber die Reaktionen waren überwiegend positiv. Ich habe auch in den letzten Jahren viel Kontakt zu den Leuten gehabt, mit denen ich früher beim VfL zusammengearbeitet habe. Es gab immer viel gutes Feedback.

Hast du dich vom VfL, den Fans, als du gegangen bist, gewertschätzt gefühlt? Ich denke auch an Sese Klaas und diese Situation, als er nach dem Abstieg sein Trikot weggeworfen hat. Aber beide von euch sind doch absolute Osnabrücker Urgesteine. Die Fans beobachten euren Weg, sind stolz auf euch – dass du jetzt in Dortmund spielst, Omar Traoré in Heidenheim erfolgreich ist, Felix Agu in Bremen und Klaas als Führungsspieler bei Paderborn. Fühlst du das auch?

Direkt nach meinem Wechsel habe ich das nicht wirklich so wahrgenommen. Ich denke, das lag auch daran, dass es in der Zeit des Aufstiegs war, wo nicht unbedingt die Einzelpersonen im Vordergrund standen, sondern der Verein und das große Ziel, das gemeinsam erreicht wurde. Die Freude war riesig. Aber in den letzten Jahren hat sich das schon entwickelt. Ich glaube, die Leute wissen jetzt, dass ich nach wie vor ein VfL-Fan bin und den Verein weiterhin verfolge. Das wird in Osnabrück sehr geschätzt, und das weiß ich auch zu schätzen. Es ist mir wichtig, dass die Leute verstehen, wie viel mir der Verein immer noch bedeutet.

Manchmal wird ja vieles im Fußball als selbstverständlich angesehen. Gerade wenn jemand so lange bei einem Verein ist, wird der Fan auch schnell gemütlich im Denken. Aber es gibt auch einen Grund, warum wir heute mit dir sprechen. Dein Name wird immer wieder genannt, wenn es darum geht, wer möglicherweise zum VfL Osnabrück zurückkehren könnte. Auch Sese Klaas fällt immer wieder als Name. Das zeigt, wie stark ihr noch immer in den Köpfen der Osnabrücker seid. Wie siehst du das?

Ich muss sagen, dass ich in der Aufstiegssaison nicht unbedingt eine herausragende Rolle gespielt habe. Für mein Alter und meine Entwicklung war das alles recht normal – ich habe meinen Teil beigetragen, aber nicht mehr als andere. Die wahre Aufmerksamkeit habe ich erst später erhalten, als sich meine Entwicklung fortgesetzt hat. Ich war acht oder neun Jahre beim VfL, bin dort als Jugendspieler gestartet, habe mich zum Profi entwickelt und konnte dann den Schritt in die Bundesliga machen. Das hat für viele Osnabrücker natürlich eine besondere Bedeutung, und ich glaube, genau das merkt man jetzt.

Das ist auf jeden Fall ein besonderer Weg. Und es gibt immer wieder Diskussionen unter den Fans, gerade in schwierigen Zeiten, dass sie sich wünschen, ein Spieler wie du könnte zum VfL zurückkehren. Kannst du diese Wahrnehmung nachvollziehen?

Direkt nach meinem Wechsel habe ich das nicht wirklich so wahrgenommen, weil es ja eher um den Aufstieg des Vereins ging und weniger um einzelne Spieler. Aber in den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass die Leute wissen, dass ich nach wie vor ein großer VfL-Fan bin und den Verein immer noch verfolge. Das wird in Osnabrück geschätzt, und das weiß ich auch zu schätzen. Es bedeutet mir viel, dass die Leute wissen, wie wichtig der Verein für mich war und nach wie vor ist.

Im Fußball geht es oft um Höhen und Tiefen. Du bist ein Mittelstürmer, und auch bei Köln suchst du aktuell nach deiner Form. Dein Trainer, Gerhard Stuber, sagt, du seist jemand, der nicht aufgibt und gut mit Widerständen umgeht. Das klingt nach einer starken Resilienz. Denkst du, dass das eine Eigenschaft ist, die ein Fußballer im heutigen Geschäft unbedingt mitbringen muss? Musstest du dir diese Resilienz aneignen, oder war die von Anfang an da?

Resilienz ist auf jeden Fall eine sehr wichtige Eigenschaft im Fußball. Ich denke, keiner im Fußball hat eine durchgehend positive Karrierekurve. Selbst die absoluten Topstars erleben mal Tiefpunkte. Ich musste mir im Laufe meiner Karriere eine „harte Schale“ zulegen und lernen, mit Rückschlägen und Widerständen umzugehen. Von Anfang an war das nicht selbstverständlich. Ich musste Strategien entwickeln, wie ich mit dem Druck und der ganzen Außenwahrnehmung im Fußball umgehe. Das ist wichtig, denn im Fußball ist es oft so: Wenn du ein Tor schießt, bist du der Held der Stadt. Wenn du ein Jahr lang nicht triffst, wie ich jetzt,  bist du plötzlich der, der angeblich keinen Fußball mehr spielen kann. Damit umzugehen, ist entscheidend. Ich habe gelernt, den Fußball als das zu sehen, was er ist – ein Spiel, das Spaß machen soll. Diese Perspektive hilft mir, auch in schwierigen Phasen meine Stärken zu behalten.

Ich glaube, so eine Resilienz ist einfach im Fußball unabdingbar, weil es einfach so viel Öffentlichkeit drumherum gibt, so viel geschrieben wird, dass man auf jeden Fall aufpassen muss, in diesen ganzen Meinungsäußerungen und den ganzen Strömen nicht verloren zu gehen.

Du hast vor kurzem in einem bemerkenswerten Interview in einer Kölner Boulevard-Zeitung gesagt, dass du dir Unterstützung von außen geholt hast, um eine andere Perspektive zu bekommen. Wie sehr steckt man als Fußballer in einem Tunnel? Und ist das Thema psychische Gesundheit, wie bei Niklas Schmidt, der seine Erfahrungen öffentlich gemacht hat, im Fußball ein Thema, oder wird das eher als Tabu betrachtet?

Das Thema Druck im Fußball ist riesig und wird oft unterschätzt. Der Fußball steht ständig im Rampenlicht, und man hat das Gefühl, dass jeder über dich reden kann, dich bewerten kann – egal ob er Ahnung hat oder nicht. Es wird oft wenig Rücksicht auf den Menschen hinter dem Spieler genommen. Da ist es wichtig, zu lernen, zwischen der Person „Steffen Tigges“ und dem Fußballspieler „Tigges“ zu trennen. Der Umgang mit diesem Druck ist essenziell. Als ich mit dem 1. FC Köln in die Abstiegssituation geriet, habe ich gemerkt, wie viel Negatives auf mich und das Team einprasselte. Da muss man einfach lernen damit umzugehen. Das hatte ich so auch noch nicht erlebt und ich habe einfach gemerkt, dass mich das in meiner Leistungsfähigkeit enorm beeinflusst, ja auch beeinträchtigt hat und ich habe mir dann Hilfe von außen gesucht, in Form eines Sportpsychologen. Mit ihm konnte ich besprechen, wie man mit gewissen Dingen umgehen kann, wie man diese Dinge vielleicht auch für sich einordnen kann, welche Lehren man daraus zieht und welche Wege man sich aneignen kann, um mit Druck, mit Angstzuständen etc. umzugehen. Leider ist das Thema psychische Gesundheit im Fußball oft ein Tabu. Es gibt eine toxische Männlichkeit, bei der niemand zugeben will, wenn es einem nicht gut geht. Jeder möchte irgendwie das Alpha-Tier sein, keiner möchte zugeben, wenn man vielleicht auch mit dem Druck, mit der Erwartungshaltung zu kämpfen hat. Ich versuche so etwas in der Öffentlichkeit anzusprechen, und ich finde jeden gut, der ebenfalls so etwas öffentlich anspricht. Ich glaube, es gibt viel mehr, die vielleicht auch mal eine schwierige Phase haben, sich aber dann nicht trauen dieses im Fußballgeschäft anzusprechen, weil es dann vielleicht als Schwäche gesehen wird.

Heute Morgen war ich auf einer Veranstaltung für Auszubildende, und Uli Borowka hat einen Vortrag gehalten, in dem er gesagt hat, dass vor 20 Jahren schon rund 20 Prozent der Spieler psychische Probleme hatten. In anderen gesellschaftlichen Bereichen gibt es mittlerweile viele Angebote zur Unterstützung, aber im Fußball wird das Thema psychische Gesundheit erst in den letzten Jahren stärker thematisiert. Was denkst du darüber? Wird das im Fußball eher auf Eigeninitiative der Spieler oder durch den Verein angegangen?

Ja, das ist definitiv ein interessanter Punkt. Ich glaube, in den letzten Jahrzehnten war das Thema im Fußball nicht wirklich präsent. Wie du schon sagst, die Spieler wurden oft als „Gladiatoren“ gesehen, als Menschen, die für den Sieg kämpfen und keine Schwächen zeigen dürfen. Da war es eher unvorstellbar, dass jemand öffentlich über psychische Belastungen spricht. Als ich zum Beispiel meine Bachelorarbeit geschrieben habe, die sich mit „Psychologischer Betreuung im Nachwuchs“ beschäftigt hat, war das Thema in unserem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) noch kein großes Thema. Aber in den letzten Jahren hat sich das geändert, und gerade bei den jüngeren Spielern, die gerade erst aus dem NLZ kommen, sehe ich eine ganz andere Offenheit gegenüber psychologischer Betreuung und ein besseres Verständnis für die Wichtigkeit solcher Themen. Das liegt vielleicht auch daran, dass viele ältere Spieler einfach keinen Zugang zu diesen Themen hatten, weil es damals einfach nicht auf der Agenda stand. Dafür kann man ihnen aber keinen Vorwurf machen.

Ich finde es umso besser, dass immer mehr Spieler und auch die Öffentlichkeit anfangen, diese Themen zu besprechen. Es ist wichtig, dass man versteht, dass psychische Belastungen genauso real sind wie körperliche Verletzungen und in jedem Bereich der Gesellschaft vorkommen – auch im Fußball. Ich finde es daher sehr gut, dass darüber mittlerweile mehr gesprochen wird, sowohl im Fußball als auch generell in der Gesellschaft. Es gibt noch immer eine gewisse Hemmschwelle, aber es wird immer besser, und das ist wichtig.

Ich finde es wirklich spannend, was du gerade über deine Bachelorarbeit erzählst. Du bist damit ja sogar ein bisschen Experte im Bereich dieser psychologischen Betreuung. Darf ich fragen, in welchem Rahmen du diese Bachelorarbeit geschrieben hast?

Ja, sehr gerne. Ich habe meinen Bachelor in Sportbusiness Management gemacht und meine Bachelorarbeit über psychologische Betreuung in Nachwuchsleistungszentren geschrieben. Dabei ging es darum, wie die psychologische Unterstützung in diesen Zentren umgesetzt wird, welche Vorgaben es gibt und vor allem, welche Bedeutung und Wichtigkeit die psychologische Betreuung für die Spieler hat. Es war wirklich ein sehr interessantes Thema, besonders weil ich aus meiner eigenen Zeit im NLZ wusste, dass dieses Thema dort noch nicht wirklich im Fokus stand. Während meiner Recherche habe ich auch mit dem 1. FC Köln und dem VfL Osnabrück darüber gesprochen. Da habe ich dann gemerkt, wie sehr die Bedeutung dieses Themas gestiegen ist und dass immer mehr erkannt wird, wie wichtig psychologische Unterstützung für junge Spieler ist. Im Endeffekt muss man als Sportler auf dem Platz Leistung bringen, und ein großer Teil dieser Leistung hängt eben auch vom Kopf ab. Ich glaube, die Spieler im heutigen Nachwuchsleistungszentrum oder die frisch gebackenen Profis werden heutzutage deutlich besser unterstützt und haben hier einen viel besseren Zugang zu professioneller Hilfe. Es ist toll zu sehen, wie sich da etwas bewegt.

War deine Bachelorarbeit eher eine Standortbestimmung oder hast du auch Ideen und Empfehlungen formuliert, wie es idealerweise in den NLZs laufen sollte?

Ehrlich gesagt, hätte es den Rahmen meiner Bachelorarbeit gesprengt, wenn ich auch noch konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet hätte. Was ich aber definitiv gemerkt habe, ist, dass die psychologische Betreuung in den NLZs in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist. Es wird mittlerweile erkannt, dass neben der physischen auch die mentale Ebene sehr wichtig für die Entwicklung der Spieler ist. Als Spieler versuche ich ebenfalls, offen mit meinen Herausforderungen umzugehen und Hilfe zu suchen, wenn ich merke, dass es in meiner Leistung oder in meiner mentalen Verfassung nicht rund läuft. Ich finde es wichtig, das nicht zu verstecken oder totzuschweigen, wenn es um solche Themen geht. Auch hier im Interview versuche ich, ehrlich darüber zu sprechen und ein bisschen Bewusstsein dafür zu schaffen. Jeder hat mal schlechte Phasen, und es ist völlig in Ordnung, sich Unterstützung zu holen, um diese Phasen zu überwinden und wieder in die richtige Richtung zu kommen.

Wo soll es für dich nach dem Studium idealerweise hingehen? Hast du schon Vorstellungen, ob es eher in den Fußball-Management-Bereich oder vielleicht doch eher in den Trainerbereich gehen könnte?

Ich mache jetzt noch einen Master im Kommunikationsmanagement und kann mir vorstellen, später in Bereichen wie Vermarktung, Rechte-Vermarktung, TV-Vermarktung oder Sponsoring zu arbeiten. Trainer kann ich mir nur im Jugendbereich vorstellen, aber da ich die Wochenenden in Zukunft eher mit meiner Familie verbringen möchte, glaube ich nicht, dass ich im Profi-Bereich als Trainer arbeiten möchte. Der Fußball hat einem sehr viel Zeit abverlangt, und nach der Karriere freue ich mich tatsächlich darauf, einen geregelten Alltag zu haben und einfach mal die Wochenenden frei zu haben, um Zeit mit meiner Familie zu genießen.

Also du willst nicht unbedingt in den Fußballbereich, auch wenn du jetzt gerade aktiv im Sportbusiness bist?

Ehrlich gesagt, steht der Fußballbereich nicht vordergründig auf meiner Liste. Natürlich könnte ich mir vorstellen, dort zu arbeiten, wenn sich eine spannende Möglichkeit ergibt, und das kann ja auch inspirierend sein. Aber ich merke schon, dass mir nach der Karriere ein bisschen Abstand vom Fußball ganz gut tun wird. Der Fußball ist ein sehr hektisches Geschäft, und ich freue mich darauf, nach meiner Karriere mehr Freiheit zu haben, ohne ständig für den nächsten Spieltag oder das nächste Event eingespannt zu sein. Einfach mal den Alltag anders zu gestalten, den Urlaub frühzeitig zu planen oder für Veranstaltungen schon 3,4 Monate vorher zusagen – Dinge, die im Fußballgeschäft eher schwierig sind. Mal schauen, wie sich das entwickelt, aber ich freue mich darauf und die ein oder andere Person aus meinem Umfeld garantiert auch. Das wäre im Fußball, gerade für alle, die auch um den Fußball herum arbeiten, echt sehr schwierig gegeben und ja, ich glaube, das tut mir ganz gut und mal schauen, ob es dann so kommt.

Das ist nachvollziehbar. Und das gibt Gelegenheit, nochmal auf Druck und vielleicht sogar Depressionen zu sprechen zu kommen.  Das Thema Depressionen, wie bei Niklas Schmidt, ist in den letzten Jahren immer mehr in den Medien präsent geworden. Wie wird das Thema in deinem Umfeld wahrgenommen? Gibt es Unterschiede von Mannschaft zu Mannschaft, wie damit umgegangen wird?

Tatsächlich ist das Thema in meiner direkten Umgebung noch nicht so präsent gewesen, zumindest habe ich es in den letzten Jahren nicht wirklich wahrgenommen. Es gibt zwar Workshops, in denen mit der Mannschaft zusammengearbeitet wird, um das Teamgefüge zu stärken, vor allem nach schwierigen Phasen. Aber ich glaube, dass letztlich jeder Spieler selbst entscheiden muss, wie er mit seinen eigenen Herausforderungen und Leistungsdruck umgeht. Der Fußball ist zwar ein Mannschaftssport, aber jeder Spieler ist auch ein Individuum. Was dem einen hilft, ist nicht unbedingt das Richtige für den anderen.

Mir persönlich hilft es enorm, einen externen Blick auf die Situation zu bekommen, um alles richtig einordnen zu können. Das gibt mir die Möglichkeit, meine Leistung und Situation wieder besser zu verstehen und meine Stärke zurückzuerlangen. Andere brauchen vielleicht einfach mal einen Tag Abstand oder die Gelegenheit, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Diese Selbstwahrnehmung und Auseinandersetzung ist für jeden Spieler wichtig. Von Seiten des Vereins wird das Thema allerdings nicht stark thematisiert, und in der Kabine ist es nicht wirklich ein großes Thema. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man sich damit auseinandersetzen kann, aber letztlich liegt es in der Verantwortung des Einzelnen, sich damit zu beschäftigen.

Du hast vorhin über deine Freundschaften mit ehemaligen Mitspielern gesprochen. Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Trainern wie Daniel Thioune oder seinem damaligen Co Merlin Polzin?

Ja, der Kontakt zu den beiden besteht noch, auch wenn er in letzter Zeit weniger intensiv geworden ist, was natürlich auch an den vielen Verpflichtungen der beiden liegt. Ich habe Merlin zum Beispiel Anfang des Jahres in Hamburg getroffen, als wir gegen seinen aktuellen Verein gespielt haben. Mit Daniel hatte ich vor etwa zwei Monaten ein Gespräch, als wir gegen Düsseldorf gespielt haben. Es gibt also immer noch regelmäßigen Kontakt, wenn auch mal mehr, mal weniger. Aber es ist immer schön, ehemalige Kollegen aus dem Fußballkosmos oder aus dem VfL-Kosmos zu sehen, das verbindet immer noch sehr.

Du hast ja zu Beginn des Gesprächs auch die familiäre Atmosphäre beim VfL Osnabrück erwähnt. Wie sieht es eigentlich bei deinem ersten Verein aus, dem TuS Glane? Besuche du ihn noch ab und zu?

Ich habe immer noch einige Freunde, die dort spielen, und wenn es meine Zeit erlaubt, versuche ich, mir ein Spiel anzusehen. Allerdings ist das aufgrund meines aktuellen Lebensstils und der Tatsache, dass ich mittlerweile weiter weg wohne, seltener geworden. Wenn ich bei meiner Familie bin, versuche ich die Zeit vor allem für sie zu nutzen, da bleibt nicht immer viel Zeit für den Fußball. Trotzdem verfolge ich den Verein aus der Ferne. Ich schaue mir an, wie die Mannschaften abschneiden und wie es meinen ehemaligen Mitspielern geht, aber direkt vor Ort zu sein, ist eher selten geworden.

Jetzt geht die Saison langsam zu Ende. In den Medien liest man viel über dich – zum Beispiel über das Interesse anderer Vereine aus der zweiten Liga oder auch dem Ausland. Was dürfen wir uns in Zukunft bei dir erwarten? Welche Ziele und Wünsche hast du für die kommenden Jahre?

Es ist natürlich immer schwer, die Zukunft genau vorherzusagen, vor allem, wenn so viele Faktoren eine Rolle spielen. Ich kann daher noch nicht wirklich abschätzen, was im nächsten Jahr kommt. Aber wenn ich über meine Ziele und Wünsche nachdenke, dann ist es auf jeden Fall mein Wunsch, ein noch wichtigerer Teil der Mannschaft zu werden. Ich möchte Verantwortung übernehmen, sowohl auf dem Platz als auch in der Kabine. Ich bin inzwischen in einem Alter, in dem ich gerne mehr Verantwortung tragen möchte, sowohl auf als auch neben dem Platz. Ob das hier in Köln oder vielleicht bei einem anderen Verein ist, das weiß ich momentan noch nicht. Aber mein langfristiges Ziel ist es, in den nächsten Jahren eine prägende Rolle in der Mannschaft zu spielen.

Würdest du gerne in Köln bleiben? Ich meine, es scheint ja auch eine sehr angenehme Stadt zu sein, in der du dich mit deiner Frau gut eingelebt hast.

Ja, definitiv. Wir fühlen uns hier sehr wohl. Köln ist für uns eine tolle Stadt, vor allem auch im Hinblick auf unser Alter und die Möglichkeiten, die sie bietet – sowohl für uns privat als auch im Zusammenhang mit dem Verein. Der FC Köln ist ein sehr besonderer Club, und wenn wir in die Bundesliga aufsteigen, würde das natürlich auch einen weiteren Reiz für mich darstellen. Ein weiteres Jahr Bundesliga wäre eine große Sache, und ich könnte mir definitiv vorstellen, hier zu bleiben. Aber wie gesagt, bis eine Entscheidung fällt, muss wahrscheinlich noch etwas Wasser den Rhein runterfließen  und wir werden abwarten, wie sich alles entwickelt.

Du wirkst in unserem Gespräch auf jeden Fall zufrieden und zuversichtlich. Wenn du sagst, du hast dir Unterstützung geholt, dann ist dir das zumindest äußerlich nicht anzusehen.

Ja, es gibt definitiv Unterschiede zwischen dem, was auf dem Platz passiert und dem, wie es mir neben dem Platz geht. Auch wenn es sportlich nicht läuft, war ich immer zufrieden mit meinem Leben abseits des Fußballplatzes. Ich habe es mir angewöhnt, den Fußball von meinem Privatleben zu trennen. Sobald ich zum Beispiel ins Auto steige, lasse ich den Fußball hinter mir und bin einfach Steffen Tigges, die Privatperson. Ich bin froh, dass mir das relativ leicht fällt und mir dieser Abstand hilft. Wenn es mal sportlich nicht läuft, beeinflusst das meine Stimmung nicht so sehr. Ich bin zum Glück mit einer gewissen Resilienz gesegnet, die mir hilft, positiv zu bleiben. Und aktuell ist die sportliche Situation ja auch wirklich gut: Wir stehen auf dem ersten Platz und haben die Chance, in die Bundesliga aufzusteigen. Das gibt mir sehr viel Zuversicht, und momentan gibt es da nichts, was mir die Laune wirklich verhageln könnte.

Wir drücken dir da natürlich die Daumen.

Am Anfang des Interviews hast du gesagt, dass wenn man in der Öffentlichkeit steht, jeder über einen schreiben kann, was er will. Was findest du persönlich schlimmer: Wenn in der Zeitung ein Journalist etwas Doofes schreibt oder wenn Fans sich in den Netzwerken negativ äußern?

Ich muss ehrlich sagen, dass die Kommentare, die man auf Social Media bekommt, oft sehr nah gehen. Ich versuche zwar, weniger davon zu lesen, aber man bekommt es trotzdem mit. Es ist nicht selten, dass da etwas unter die Gürtellinie geht, und das kann schon mal schwer zu verdauen sein. Es ist leider eine gewisse Maßlosigkeit im Internet zu spüren, bei der Menschen schreiben, was sie wollen, ohne Konsequenzen, und oft noch dafür Applaus bekommen. Das ist ja nicht nur im Fußball so, sondern das passiert ja in der in der ganzen Gesellschaft.  Das geht einem als Person schon ziemlich nahe.

Wenn es jedoch um sachliche und fachliche Kritik in den Medien geht, kann ich damit eigentlich  sehr gut umgehen. Man kann klar einschätzen, ob es vielleicht etwas übertrieben oder ein bisschen clickbait-lastig ist, aber die sachliche Auseinandersetzung damit ist immer noch respektvoll und nachvollziehbar.

Was mir in Köln sehr hilft, ist die herzliche Art der Fans hier. Wenn ich durch die Stadt gehe oder in Kontakt mit den Leuten komme, bekomme ich viel positives Feedback. Das gibt mir immer wieder Energie und erinnert mich daran, dass die meisten Fans den Verein und die Spieler wirklich unterstützen, gerade auch in schwierigen Zeiten.

Wie hast du das in Osnabrück wahrgenommen?

In Osnabrück habe ich die Situation als sehr positiv erlebt, vor allem weil ich die meiste Zeit bei meinen Eltern zu Hause gewohnt habe. In meinem letzten Jahr dort hatten wir eine wirklich tolle Saison, und da war nicht viel Platz für negatives Feedback. Trotzdem ist es natürlich so, dass, wo immer Menschen mit einem Verein mitfiebern, auch negative Kommentare existieren – besonders in den sozialen Medien. Aber insgesamt habe ich es in Osnabrück als eine sehr leidensfähige Fanbasis wahrgenommen. Der VfL hat immer eine treue Anhängerschaft, die auch in schwierigen Phasen hinter der Mannschaft steht. Und wenn ich heute an die Fans denke, die das Team bei einem schwierigen Saisonverlauf unterstützen, weiß ich, dass der Verein eine starke und leidensfähige Community hat.

Das habe ich auch hier in Köln erlebt. Nach dem Abstieg war das Stadion jedes Mal ausverkauft, und die Fans sind uns auf Auswärtsspielen über Tausende von Kilometern gefolgt. Es gibt immer diese „richtigen“ Fans, die den Verein wirklich prägen, die immer da sind, und für die würde man als Spieler auch alles geben. Ich habe in Osnabrück, Köln und Dortmund ähnliche Erfahrungen gemacht und bin sehr dankbar, bei diesen Traditionsvereinen spielen zu dürfen. Es ist wichtig, sich nicht von den wenigen negativen Stimmen im Internet das Gesamtbild verzerren zu lassen. Die wahren Fans, die den Verein leben und unterstützen, sind das, was einen wirklich motiviert.

Jetzt, wo wir langsam zum Ende kommen, möchte ich dir noch die Frage nach möglichen Vorbildern stellen. Hattest du selbst Vorbilder oder gab es jemanden, den du als junger Fußballer besonders bewundert hast?

Ja, ich hatte vor allem Vorbilder auf dem Platz. In meiner Zeit, als ich mit dem Fußball groß geworden bin, waren Miro Klose und Thomas Müller solche Vorbilder für mich. Ich habe sie als prägende Spieler in der deutschen Nationalmannschaft und ihren Vereinen wahrgenommen, weil sie jeweils eine wichtige Rolle in der Mannschaft übernommen haben und konstant Leistung gebracht haben. Das hat mich immer sehr beeindruckt. Allerdings hatte ich sonst nicht wirklich ein bestimmtes Vorbild, an dem ich mich orientiert habe. Ich versuche eher, meinen eigenen Stil zu entwickeln.

Vielleicht bist du ja mittlerweile selbst ein Vorbild für junge Spieler. Angenommen, das wäre der Fall – was würdest du diesen jungen Fußballern als Rat mit auf den Weg geben, um gut zu starten?

Ich denke, es ist wichtig, den Fußball als das zu betrachten, was er ist: etwas, das Spaß machen sollte. Wenn man keinen Spaß hat, wird man nie wirklich erfolgreich sein, weil man dann die Motivation verliert. Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Punkt. Man muss sich auch vom ganzen Drumherum des Geschäfts nicht verrückt machen lassen und zwischen dem Fußballer und der Privatperson unterscheiden können. Es ist aber auch wichtig, dass man immer hart arbeitet, auf den Trainer hört und sich kontinuierlich weiterentwickelt. Kritik sollte man immer als Feedback sehen, das einem hilft, sich zu verbessern. Das sind die wichtigsten Aspekte, die ich jungen Fußballern empfehlen würde, um erfolgreich zu sein.

Vielen lieben Dank, Steffen Tigges. Danke für deine offenen Worte und dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns zusammen, eine Zeitreise zurück in deine Osnabrücker Momente und durch deine Karriere anzugehen.

(Das Interview fand online am 1. April 2025 statt)