Gerhild Gierschner ist der „Löwenpudel der Saison“ 2022/23

Emotional wurde es am 27. Mai 2023 bereits vor dem Spiel: Gerhild Gierschner erhielt den „Löwenpudel der Saison“ 2022/23!

Gerhild Gierschner in Lienen

In der Laudatio heißt es:

„Wir schreiben das Jahr 1969. Wenige Wochen vor der Landung der ersten Menschen auf dem Mond, wenige Monate vor der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler. Es ist der 8. Juni. Eine brüllende Hitze im Frühsommer des „Summer of Love“ bringt nicht nur die 22 Spieler der Partie VfL Osnabrück gegen Rot-Weiss Essen ins Schwitzen, nein, auch FIFA-Schiedsrichter Ferdinand Biwersi und über 33.000 Zuschauern im Stadion Bremer Brücke läuft das Wasser die Körper herunter. Eine von ihnen ist Gerhild Gierschner. Im Hauptberuf Erzieherin in einem Kinderheim am Osnabrücker Schölerberg. Doch Gerhild Gierschner ist viel mehr als das: Sie ist ein Fan mit Leib und Seele. Damals sagte man Schlachtenbummler, heute würde man den Begriff Ultra dafür nutzen.“ […]

„Auch politisch blieb sich Frau Gierschner treu und trat mit 21 Jahren, also so früh es damals nur ging, in die SPD ein. Sie hatte wie viele aufrechte Demokraten ihrer Generation die innerliche Überzeugung, dass sich Diktatur und Krieg nie wieder ereignen dürften und dass das Nachkriegsdeutschland eine echte Demokratie werden müsse.“[…]

„Erst am 31. Oktober 1970 hob der DFB das Verbot des Frauenfußballs auf. Frau Gierschner hatte da schon längst mit ihren Kindern regelmäßig Fußball gespielt. Ihre Position: Torhüterin. Die gleiche Position, die Andreas Burose einst beim VfL Osnabrück während der goldenen Jahre der Nordmeistermannschaft bekleidete, die fünfmal in Folge an der Aufstiegsrunde zur ersten Bundesliga teilnahm. Burose war im Hauptberuf Gärtner bei der Stadt Osnabrück und erhielt deswegen von den Fans den liebevollen Spitznamen „Pflanzer“. Für Gerhild Gierschner ist er bis heute einer ihrer Lieblingsspieler in ihrer über 80 Jahre währenden Verbundenheit zum VfL Osnabrück.

Frau Gierschner besuchte auch die Partie am 8. Juni 1969 nicht alleine. In ihrer Begleitung befanden sich schon damals Kinder und Jugendliche aus dem Waisenhaus. Unzähligen jungen Menschen impfte sie den VfL-Virus ein und begeisterte sie für die Kicker in Lila und Weiß.

1971 suchte der VfL Osnabrück einen neuen Schatzmeister und fand ihn in Helmut Wessling. Eben jener Helmut Wessling, der 12 Jahre zuvor Gerhild Gierschner die Tür im Kinderheim geöffnet hatte. In diesen Jahren hatte Wessling es bis zum Direktor der Stadtsparkasse Osnabrück gebracht. Mehr als ein Vierteljahrhundert, nämlich bis ins Jahr 1996 und dem Rücktritt von Hartwig Piepenbrock als Präsident und Mäzen des VfL Osnabrück, regelte Wessling die Finanzen des Vereins. Und wie Gerhild Gierschner hatte auch Helmut Wessling nicht vergessen, woher er kam und wer einen Anteil an seinem späteren Lebensweg hatte. Schon bald sorgte er dafür, dass Gerhild Gierschner mit ihren Kindern ins Stadion kam. Schon bald fiel bei nahezu jedem Heimspiel der geflügelte Satz beim Ordnungsdienst: „Da kommt Tante Gerhild mit den Kindern“. Selbst bei restlos ausverkauften Partien sorgte Wessling dafür, dass seine ehemalige Erzieherin mit den Waisen dem jeweiligen Spiel beiwohnen konnte. Bis weit in die 90er Jahre und ihrem Eintritt ins Rentenalter hinein, begleitete Gerhild Gierschner Kinder und Jugendliche zum VfL und verschaffte ihnen gemeinsam mit Helmut Wessling ein paar Stunden der Freude. Aus Liebe zum Spiel. Aus Liebe zum VfL. Aus Liebe zu ihren Schutzbefohlenen.“

„Wir haben dem VfL Osnabrück die Geschichte von Frau Gierschner erzählt. Auch Helmut Wessling konnten wir sprechen, der sich ebenso freudig an seine Erzieherin erinnerte und ins Schwärmen geriet. Gegen die SV Elversberg war Frau Gierschner das erste Mal seit fast 25 Jahren wieder zu Gast an der Bremer Brücke. Alle VfLer um uns herum auf der Südtribüne waren begeistert von dieser Frau und ihrer Geschichte, ihrem beispiellosen Engagement für Menschen, die es nicht einfach im Leben hatten und denen sie ihre Liebe zum VfL Osnabrück vermittelt und sie selbst zu Fans hat werden lassen.

Gerhild Gierschner hat Zeit ihres Lebens keine einzige Minute für den VfL Osnabrück gespielt. Aber sie hat wahrscheinlich im Stillen mehr Jubelschreie und Tränen der Freude bei vielen Mitmenschen zu verantworten, als wir uns denken können. Gerhild Gierschner wurden Türen geöffnet und sie hat vielen anderen Menschen Türen und Tore geöffnet. Vor allem die Tore zum Stadion an der Bremer Brücke.

Wir verneigen uns im Namen aller VfLerinnen und VfLer vor Gerhild Gierschner und verleihen ihr den „Löwenpudel der Saison 2022/23“.“

Mehr gibt es an dieser Stelle kaum zu sagen, außer darum zu bitten, die Laudatio in Gänze zu lesen – „Tante Gerhild“ hat es mehr als verdient:

Gerhild Gierschner ist unser „Löwenpudel der Saison 2022/23“ – Osnabrücker Rundschau (os-rundschau.de)

Fotos: Anke Busiek, Melanie Priesnitz, Christian Harpenau