Vor einem Jahr wechselte Omar Traoré vom VfL Osnabrück aus der 3. Liga zum FC Heidenheim, wurde Stammspieler in der Bundesliga. An diesem Donnerstag betritt er erstmals die europäische Bühne. Seine Wurzeln hat er dennoch nicht vergessen.
Am letzten Spieltag der vergangenen Saison stand Omar Traoré dort, wo er als kleiner Junge schon gestanden hatte. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern besuchte der 26-Jährige das Stadion an der Bremer Brücke. „Wir waren in der Westkurve, wie früher. Nur dass wir damals kaum über die Bande schauen konnten“, sagt Traoré und muss beim Gedanken an die Kindheitserinnerung ein wenig schmunzeln.
Beim Heimspiel gegen Hertha BSC sah er, wie der VfL Osnabrück sich aus der 2. Fußball-Bundesliga verabschiedete und den Gang zurück in die 3. Liga antrat. Ein Jahr zuvor hatte Traoré noch auf dem Rasen gestanden und mit den Lila-Weißen den Aufstieg gefeiert. In dem Stadion, in dem er zum ersten Mal als Vierjähriger war.
Lange hatte er davon geträumt beim VfL zu spielen, es war ein weiter, nicht immer einfacher Weg, der beim SV Rasensport in der Jugend einst seinen Anfang genommen hatte und der ihn über Braunschweig, Rödinghausen und Uerdingen im Sommer 2021 in die Profimannschaft des VfL geführt hatte. Traoré wurde Stammspieler bei den Lila-Weißen, 2023 dann der Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga. Und dennoch verließ er den Verein. Für seinen zweiten großen Traum: Die Bundesliga.
Ein Jahr später sagt Traoré, der am Osnabrücker Kalkhügel aufwuchs: „Es war genau der richtige Schritt.“ Zum richtigen Zeitpunkt, zum richtigen Verein. „So schwer mir der Abschied von Familie und Freunden und vom VfL auch fiel, aber das erste Mal so richtig weit weg von zu Hause zu sein, war eine neue, wichtige Erfahrung und hat mich noch einmal richtig vorangebracht“, betont er und fügt an: „Das Umfeld in Heidenheim ist toll, die Stadt ist nicht groß, man findet sich schnell zurecht und wird sofort gut aufgenommen. Die Menschen sind sehr herzlich. Ich habe mich sofort wohl gefühlt.“
Wichtiger Faktor: Heidenheims Trainer Frank Schmidt
Ein weiterer wichtiger Faktor, vielleicht sogar der wichtigste für Traorés Wechsel und seine Entwicklung: Heidenheims Trainerurgestein Frank Schmidt. „Ich habe mich vorher bei Timo Beermann erkundigt und er hat mir gesagt, bei ihm bekommt jeder eine Chance. Genauso war es“, erzählt Traoré und gerät ins Schwärmen. „Zuvor haben ich in meiner Karriere oft gehört, was ich nicht kann. Auch als ich nach Heidenheim gegangen bin, haben einige Leuten gesagt: Ich weiß nicht, ob er Schritt nicht zu groß ist – bist du dir sicher? Frank Schmidt hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er mir das zutraut. Er sagt einem immer, was du alles kannst.“ Es funktionierte.
Das vergangene Jahr wurde Traorés Jahr. Und das des Klubs aus der 50.000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg. Als Aufsteiger schloss Heidenheim die Tabelle auf Rang acht ab, dank der besseren Differenz von einem Tor. „Jeder Treffer zählt“, sagt der 26-Jährige und lacht. 4:1 hatten die Heidenheimer am letzten Spieltag gegen den 1. FC Köln gewonnen. Was dieser Sieg und das eine Tor mehr bedeuteten, wurde erst eine Woche später Realität. Dank des Pokalsiegs von Bayer Leverkusen qualifizierte sich Heidenheim für die Qualifikation zur Conference League.
„Wir haben uns unglaublich gefreut“, sagt Traoré kurz darauf: „Aber so ganz glauben, was da passiert ist, kann ich es vermutlich erst, wenn es soweit ist.“ An diesem Donnerstag (18 Uhr) ist es soweit. Der Gegner in der Qualifikation zum dritthöchsten europäischen Wettbewerb heißt BK Häcken. Im schwedischen Göteborg betritt der Junge aus Osnabrück dann erstmals die europäische Bühne. Nur drei Tage später geht es in der Bundesliga zuhause gegen Aufsteiger St. Pauli – aller Voraussicht nach mit Traoré in der Startelf. Es ist eine rasante Entwicklung, die Traoré in der vergangenen Saison genommen hat – vom Drittliga-Profi zum Bundesliga-Stammspieler.
An den ersten Einsatz in der ersten Liga kann er sich natürlich noch erinnern. In Wolfsburg. Die Familie aus Osnabrück war da, viele Freunde. Und Traoré saß erst einmal auf der Bank. Dann verletzte sich Marnon Busch – mit dem er sich auch in dieser Vorbereitung wieder ein intensives Duell um die Position auf der rechten Abwehrseite lieferte. „Ich saß damals auf der Bank und hatte eigentlich noch jede Menge damit zu tun, alles zu verarbeiten.“ Dass er auf einmal in diesem Stadion war, Bundesliga. „Und plötzlich wurde ich eingewechselt“, erinnert sich der 26-Jährige und wirkt dabei fast immer noch ein wenig erschrocken.
31 Bundesliga-Spiele absolvierte er in der vergangenen Saison, 29-mal stand er in der Startelf. Fünf Torvorlagen gelangen ihm. Und ein wunderschöner Pass, der den Treffer zum 3:2-Sieg gegen den FC Bayern München einleitete. Viele besondere Momente hielt das letzte Jahr für Traoré bereit. Der Sieg gegen den FC Bayern aber stach aber noch etwas heraus. „Die Nachrichten auf dem Handy konnte ich kaum noch zählen“, sagt Traoré. Und doch hat er sie fleißig alle beantwortet. So wie es seine Art ist.
Traoré mit Fanpreis „Löwenpudel“ ausgezeichnet
Der 26-Jährige weiß genau, wo er herkommt. Und er ist stolz darauf. Nach dem letzten Bundesliga-Spiel setzte er sich ins Auto und fuhr nach Osnabrück. Am Tag darauf wurde ihm dort der „Löwenpudel“ verliehen. Es ist eine besondere Auszeichnung einer Faninitiative des VfL an Personen, die sich nicht nur sportlich, sondern auch durch soziale Kompetenz hervor getan haben.
Und die wird in der Familie Traoré von jeher gelebt. Nachdem seine Eltern in den 90er Jahren aus dem westafrikanischen Togo nach Deutschland gekommen sind, begann vor allem sein Vater Alfa Traoré schnell, sich in Osnabrück gesellschaftlich zu engagieren. Er setzt sich für Flüchtlinge aus seinem Heimatland ein, kämpft für Integration und gegen Rassismus. „Der Löwenpudel ist daher nicht nur eine Auszeichnung für mich, sondern für meine ganze Familie, das macht mich besonders stolz“, sagt Omar Traoré. Der Preis habe deshalb auch einen Ehrenplatz bekommen, verrät der 26-Jährige, der selbst gerne Vorbild ist.
Mit 180 Kindern trainierte er in diesem Sommer drei Tage lang beim Fußball-Camp von Blau-Weiß Schinkel. Immer wieder schaute er bei seinem Heimatverein SV Rasensport vorbei und kickte mit dem Nachwuchs – dort, wo er selbst einst mit dem Fußball-Spielen begann. „Die Kinder sollen sehen, dass sich ihre Träume verwirklichen können, wenn sie daran glauben“, sagt der Bundesliga-Profi, der nun europäisch spielt. Sein Traum ist noch lange nicht vorbei.
Quelle: Osnabrücker Omar Traoré spielt mit Heidenheim Conference League | NOZ / Text: Susanne Fetter