Es ist dem selbstlosen Einsatz einer engagierten und fußballbegeisterten Pädagogin zu verdanken, dass ein großer Herzenswunsch von jungen Waisen und Halbwaisen ab den späten 1970er Jahren über einen langen Zeitraum in Erfüllung ging: Der Besuch von Heimspielen der Fußballer des VfL Osnabrück.
Zum Duell mit dem Drittliga-Spitzenreiter SV Elversberg gab es nun für Gerhild Gierschner ein tolles Dankeschön von Fans und Verein. Die Fan-Initiative „Löwenpudel“ war hauptverantwortlich dafür, dass die 91-Jährige erstmals seit mehr als einem Vierteljahrhundert wieder ein Heimspiel der Lila-Weißen erlebte.
„Der Stadionbesuch hat ganz tolle Erinnerungen in mir geweckt“, sagt Gerhild Gierschner. VfL-Fan Anke Busiek hatte sie zuvor vom Altersheim in Lienen an die Bremer Brücke gefahren. Der VfL hatte für die beiden einen VIP-Parkplatz und einen Sitzplatz auf der Südgeraden reserviert und ihr mit der Initiative „Löwenpudel“ einen herzlichen Empfang bereitet.
Anke Busiek ist als Podologin seit Langem mit Gerhild Gierschner bekannt. Die VfL-Dauerkartenbesitzerin hatte Melanie Priesnitz – das Kuratoriumsmitglied der Initiative „Löwenpudel“ sitzt im Stadion eine Reihe hinter Busiek – von der großartigen lila-weißen Vergangenheit ihrer Patientin in Kenntnis gesetzt.
Die Initiative Löwenpudel macht es sich zur Aufgabe, besonders soziale Persönlichkeiten und Begebenheiten rund um den VfL Osnabrück zu würdigen. „Entsprechend war es uns eine echte Herzensangelegenheit, Frau Gierschner eine Freude zu machen“, betont Melanie Priesnitz, „Ihr einen Stadionbesuch zu ermöglichen war ein kleines Dankeschön dafür, dass es ihr eine große Selbstverständlichkeit war, Waisen und Halbwaisen mit ihrem riesigen Einsatz an die Brücke zu bringen. Wir hoffen, dass andere VfL-Fans ihr Werk zum Vorbild nehmen – ob im Großen oder Kleinen.“ Gerhild Gierschner ist folgerichtig als Kandidat für den „Löwenpudel der Saison“ vorgeschlagen worden, der am 27. Mai an der Bremer Brücke verliehen wird.
Auch Helmut Wessling (81) hatte in seiner Funktion als VfL-Schatzmeister (1971 bis Ende der Piepenbrock-Ära 1996) einen ganz wichtigen Anteil am Stadionbesuch der Waisen. Als junger Erwachsener war er in seiner Ausbildung bei der Sparkasse noch Bewohner des Kinderheims am Schölerberg. Dort hatte Wessling einst die Erzieherin Gierschner kennen- und schätzen gelernt. „Gerhild Gierschner war in ihrer herzlichen und verbindlichen Art bei allen im Kinderheim äußerst beliebt. Als sie – es dürfte gegen Ende der 1970er-Jahre gewesen sein – nach langen Jahren wieder Kontakt mit mir aufnahm und fragte, ob fünf bis zehn Kinder des Heimes umsonst ins Stadion dürften, war es selbstverständlich, dies zu ermöglichen und es den Ordnern entsprechend zu melden“, sagt Wessling.
Gerhild Gierschner musste zuvor von den Kindern nicht lange gebeten werden, als diese einen Erziehungsberechtigten suchten, der mit ihnen die Heimspiele des VfL besucht. Fortan – die Seniorin erinnert sich nur allzu gut – gab es von den Kids des Heims einen geflügelten Spruch, als sie die Tore am Stadion passierten: „Da ist wieder Tante Gerhild mit den Kindern.“ Die Erzieherin ermöglichte ihnen sogar den Besuch von auswärtigen Derbys – beispielsweise mit dem eigenen Pkw zum Duell in Meppen. Erst als der VfL nach Ende der Amtszeit von Wessling keine Freikarten mehr spendierte, fanden ihre Bemühungen ein Ende.
Anfang der 1940er-Jahre war die Osnabrückerin erstmals mit ihrem Vater bei einem VfL-Heimspiel. Der Fußball war damals noch eine eindeutige Männerdomäne und weibliche Zuschauer im Stadion klar in der Minderheit. Ihr erstes großes Idol war in den 1950er-Jahren Hannes Haferkamp. „Den Haferkamp kenne ich besonders gut“, sagt Gierschner. „Haferkamp war als Nationalspieler ein besonderer Teil der Mannschaft, und er führte einen Kiosk mit Toto-Lotto an der Lotter Straße. Damals mussten die VfL-Spieler ja noch alle arbeiten“, sagt Gerhild Gierschner, die bis zu ihrer Ausbildung zur Heilpädagogin im Elternhaus an der Augustenburger Straße gewohnt hatte, mit einem Augenzwinkern. Entsprechend habe man die Fußballer nicht nur im Stadion, sondern oft auch in der Stadt getroffen. Das habe in den späten 60er-Jahren auch für Torwart Andreas Burose – ihren absoluten Lieblingsspieler – gegolten. Sie kann sich noch gut an den Spitznamen des gelernten Gärtners und Publikumslieblings erinnern. Der „Pflanzer“ wurde mit den Lila-Weißen dreifacher Nordmeister.
In den vergangenen Jahren hielt sich Gerhild Gierschner über das Fernsehen und diese Zeitung in Sachen VfL stets auf dem Laufenden. Dennoch staunte sie nicht schlecht, als sie die brodelnde Atmosphäre im Hit gegen Elversberg direkt im Stadion erlebte. „Die Stimmung war ja ganz enorm“, schwärmt die 91-Jährige.
Beim Besuch der Bremer Brücke vermisste sie allerdings auch Liebgewonnenes. „Früher, als die Nordgerade noch ein einfacher Wall mit Stehplätzen ohne Dach war, konnte man so schön – vorbei an den Bäumen und Häusern – bis in die Gartlage sehen. Überhaupt war früher im Stadion alles ein bisschen freier und lockerer“, sagt Gerhild Gierschner, die in den 1960er-Jahren in den Zeltlagern liebend gerne selbst gekickt hatte – als Torfrau der Mütter-Mannschaft in den Spielen gegen das Söhne-Team mit ihrem Sprössling Gernot.
Eines, sagt die goldige Rentnerin, dürfte beim Stadionbesuch allerdings ganz bestimmt noch lange gelten: „Es ist bereits seit der Währungsreform so, dass die Bratwurst für ganz viele einfach dazugehört. Ich habe sie auch dieses Mal sehr genossen.“
Quelle: Fans und VfL Osnabrück bedanken sich bei Gerhild Gierschner (91) | NOZ / Text: Christian Detloff / NOZ