Datenklau im Amateurfußball

Jedes Wochenende finden auf deutschen Amateurplätzen tausende Fußballspiele statt. Auch der Löwenpudel ist gerne und viel auf den Plätzen des Amateurfußballs dabei, mischt teilweise sogar mit, weil er weiß, dass er und die Menschen um ihn herum hier ihrem geliebten “Beautiful Game” am nächsten sind. Doch trotz der vielen Spiele und der vielen vielen Menschen ist der Amateursport der Bereich des Fußballs, der bisher am wenigsten von den Zuwächsen im Fußball profitieren konnte. Es ist eher das Gegenteil der Fall, denn mit Rückgängen im Ehrenamt taucht beispielsweise immer öfter die Schwierigkeit auf, Spiele mit Schiedsrichter*innen und Personal grundsätzlich so zu organisieren, dass ein geregelter Spielbetrieb stattfinden kann.

Da erscheint es paradox, dass es genau in diesem Bereich erneut den Verdacht gibt, dass mehrere Partien aus zwei Regionalligen sowie mehreren Oberligen manipuliert worden seien – so eine Recherche der Hamburger Morgenpost. Dass es hier zu einem Zugriff auf Daten gekommen sei, der es international agierenden Wettanbietern ermöglicht habe, illegal enorme finanzielle Gewinne zu erzielen.

Verschobene Spiele sind nicht neu und Spielmanipulationen, wie 2005 durch den deutschen Schiedsrichter Hoyzer oder die mehr als 200 manipulierten Fußballspiele durch die Sarpina-Brüder 2009 waren und sind nur die Spitze des Eisberges. Die aktuellen Recherchen im Amateurfußball legen dafür erneut Indizien vor, nach denen berechtigt vermutet werden kann, dass der allergrößte Teil der Spielmanipulationen im Amateurbereich stattfindet. Ein Grund: Hier sind die wirtschaftlichen Anreize für Spielmanipulationen bei Spielern, Schiedsrichtern und Offiziellen wesentlich größer als in den höheren Ligen. Da allerdings die Beweisführung und damit die zweifelsfreie Feststellung von Manipulationen sehr schwierig ist, gibt es dazu nur sehr wenige belastbare Zahlen, wie, wann und mit wem Spiele verschoben worden sind. Doch die Dimensionen des Betrugs bei Fußballspielen scheinen gewaltig zu sein. Im Jahre 2013 stufte Europol rund 700 Spiele mit Manipulationsverdacht ein, darunter nur ein kleiner Teil aus den großen internationalen Wettbewerben wie CL oder WM-Qualifikation. Als verantwortlich für diese Verdachtsfälle wurde damals ein eng verflochtenes Netzwerk aus Wettanbietern mit Sitz in Europa und Asien ausgemacht. Ein Netzwerk, das sich in der gerade veröffentlichten Doku „Angriff auf den Amateurfußball · Die Gier der Wettindustrie“ von NDR und BR erneut für Verdachtsfälle verantwortlich zeigt.

Dabei war nicht vorhersehbar, dass fast zeitgleich mit der Ausstrahlung dieser Dokumentation die eingangs hier im Text genannte Recherche der Hamburger Morgenpost Verdachtsfälle für einen möglichen neuen Wettskandal im Amateurbereich offenlegte. Ein Bereich, in dem seit 2021 Sportwetten gesetzlich verboten sind. Dass dieses Verbot allerdings über das Internet mit ein paar kleinen technischen Tricks umgangen werden kann, zeigt die Doku. Damit auf den Websites ausländischer Wettanbieter überhaupt Livewetten platziert werden können, kommen sogenannte Datenscouts zum Einsatz, die vor Ort Daten über Spielverläufe und Spielsituationen via Smartphone in Echtzeit an die Wettanbieter weitergeben. Wie das Hamburger Abendblatt Anfang September berichtete, wurde so ein Datenscout bei einem Ligaspiel des Hamburger Oberligisten Altona 93 gegen SC Vorwärts-Wacker Billstedt des Stadions verwiesen. Fans hatten den Mann dabei beobachtet, wie er fortwährend das Geschehen des Oberliga-Spiels über sein Smartphone weiter gab, und ihn zur Rede gestellt. Seine Antwort: Sein Arbeitgeber habe ihn hier hin geschickt, um statistische Daten zu erheben. Ihm sei nicht bewusst gewesen, was mit diesen Daten passiert.Zu dem Szenario, dass der Ausblick auf das schnelle Geld den einen oder anderen Feierabend-Kicker dazu verleiten könnte, auf die eigenen Partien zu setzen – und sie dann schlimmstenfalls zu beeinflussen, sagte der Trainer von Altona 93 Andreas Bergmann: “Das macht alles kaputt.”

Dass der Einsatz von Datenscouts bei Altona kein Einzelfall ist, legen unter anderem Aussagen von Offiziellen aus dem Hamburger Fußball nahe, die seit Jahren immer wieder von “merkwürdigem Verhalten” einzelner Personen auf Amateurplätzen berichten, die allein “frenetisch bei bestimmten Aktionen” jubeln oder ebenso singulär Siege von Teams wie den “Sieg der deutschen Meisterschaft feiern” würden. Für die, die diese Situationen beobachtet haben, stand der berechtigte Verdacht im Raum: Hier wurde jeweils ein Wettgewinn bejubelt.

Der Fußball erleidet durch bewiesene Manipulationen wie durch die große Zahl an Verdachtsfällen einen erheblichen Integritätsverlust, der ihn vor enorme Herausforderungen stellt. Und hier steht der Amateurbereich nochmal besonders im Fokus. Er ist angewiesen auf das persönliche Engagement der Menschen, die diesen Sport lieben und diese Leidenschaft nährt sich aus der Echtheit des Wettbewerbs und der daraus resultierenden Authentizität des Sports. Der DFB und die die Wettanbieter regulierende GGL (Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder) haben sich eingeschaltet. Dass bei der NDR/BR-Recherche auftauchende Wettanbieter wie bwin oder interwetten als Partner des DFB gelistet sind, bleibt dabei hoffentlich nur eine unbedeutende Randnotiz.