
Ich begleite seit grob 1200 Jahren die Stadt Osnabrück. Wobei ich das nicht mehr so ganz genau sagen kann, denn ich kann mich weder mehr richtig an Tag, Monat noch das Jahr erinnern, an dem diese Sache mit Karl dem Großen und seinem großen Brass auf die Osnabrücker*innen passiert ist. Nur eines weiß ich genau: Seit diesem Tag, an dem Karl der Große in Osnabrück einritt und sich schwor, dem/der ersten ihm entgegenkommenden Osnabrücker*in den Kopf abzuschlagen, gibt es mich. Denn ich, der, der aus dem Arm von Karls Schwester ihm entgegensprang und dadurch als erster Osnabrücker zwar meinen Kopf verlor, aber gleichzeitig auch Karl den Großen von seinem Schwur erlöste, nach dem er hier seine eigene Schwester enthaupten gemusst hätte. Doch weil ich an ihrer Stelle den Kopf verlor, war er besänftigt, sein Groll gegenüber den Osnabrücker*innen verflogen und die Stadt konnte weiter in Frieden leben.
Seit diesem Tag bin ich ein nicht mehr weg zu denkender Teil Osnabrücks und die Osnabrücker*innen haben mir dafür sogar ein Denkmal gesetzt und das an keinem geringerem Ort, als vor dem Dom. Tja, und seit dem Tag wird sich in der Hasestadt die Sage von mir, dem Löwenpudel, erzählt. Wie schon gesagt, ist das aber schon wirklich eine ganze Weile her und so hingebungsvoll sich die Osnabrücker*innen das mit dem Denkmal auch gedacht hatten, für mich war das leider nicht immer so lustig. In Stein gemeißelt konnte ich meine Geschichte nicht weiter schreiben und so langsam entzog mir die Zeit die Lebensgeister. So stark und verspielt in mir das Herz eines Löwen und der Verstand eines Pudels pochte, so sehnsüchtig wartete ich auf den Tag, an dem ich mit der Fortschreibung meiner Geschichte in das Leben zurückkehren konnte.
Und dann war es soweit. Ich spürte, wie etwas Einfluss auf mich nahm, wie mich etwas ansprach und mich mit positiver Energie durchfloss. Es fühlte sich an, als gäbe es plötzlich eine Idee, die mir neues Leben schenken könnte, eine Aufgabe, eine Mission. Damals wusste ich noch nicht, woher diese Idee kam, heute weiß ich es. Es war der Tag, an dem ein Wind etwas an mein Ohr trug, was mich tief in meinem Herzen berührte. Ein Klang, der mich vermuten ließ, dass ich nicht der einzige Löwenpudel in dieser Stadt war und dass die anderen Löwenpudel einen sehr guten Grund haben mussten, warum ich sie so lautstark vernahm, dass mein Herz vor Freude sprang. Ein Chor, der mit den kraftvollen Stimmen wie von Löwen und einer ebenfalls nicht überhörbaren Empathie seltsam vertraut, an mein Ohr drang. Heute weiß ich: Es war der BrückenROAR, den ich da vernahm und der klang so vertraut, weil ich in dem ROAR soviel von mir wiedererkannte. Eine Symphonie des scheinbar Widersprüchlichen – eine Ode an die kraftvolle Vielfalt des Lebens.
Die Risse in meiner steinernen Hülle wurden immer tiefer und größer, so dass ich nur noch einmal tief einatmen musste und meine Hülle brach komplett auf. Ich sprang von meinem Sockel und eilte in die Richtung des Ortes, von wo ich diesen Chor vernahm. Mir war klar, dieser Ort musste etwas Magisches haben, dort mussten einzigartige Menschen zu treffen sein, wenn dort so ein Gesang entsprang.
Und dieser Ort war die Bremer Brücke, wo die Menschen den VfL, den Fußballverein dieser Stadt, so lautstark feierten, wie ich es vor dem Dom gehört hatte. Sehr freundlichen, lieben Menschen begegnete ich dort und ich schloss nicht nur sie, sondern auch den VfL in mein Herz. Die Verbundenheit ging sogar so weit, dass dort Menschen auf mich zukamen, die einen Preis nach mir benennen wollten und dafür mit einem Künstler zusammen einen eigenen Pokal schufen, der mich, balancierend auf auf einen Ball, darstellte. Klar, denn der Ball ist mein Lieblingsspielzeug, auf dem ich wie kaum jemand anderes balancieren kann.
Ich spüre, der VfL, seine Fans und ich sind miteinander verbunden und ich fühle, dass es weit mehr ist als die Leidenschaft für Lila-Weiss.
